Schreiben des Bundesaufsichtsamt für Flugsicherheit
Schreiben des Bundesaufsichtsamt für Flugsicherheit vom 14.06.2023 zu den neuen TEDGO-Flugverfahren am Flughafen Stuttgart
Flugverfahrensfestlegung der neuen Verfahren zum Punkt TEDGO
LFR/1.4.23/0001-001/23
Langen, 14.06.2023
Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Bolay,
sehr geehrte Damen und Herren,
mit Rechtsverordnung vom 09.11.2022 habe ich die neuen Flugverfahren vom Flughafen Stuttgart zum bzw. über den Wegpunkt TEDGO festgelegt. Diese Flugverfahren sind zum 23.02.2023 in Kraft getreten und werden seither genutzt.
Ziel dieser Festlegung war die Entlastung von Bewohnerinnen und Bewohnern insbesondere in Gebieten in Verlängerung der Piste 07 des Flughafens Stuttgart. Diese sind von Abflügen von der Piste 07 und Anflügen auf die Piste 25 belastet. Dass dies mit einer Neubelastung in anderen Gebieten einhergehen würde, war Gegenstand meiner Abwägung.
Den Abwägungsvermerk hatte ich Ihnen bereits zur Verfügung gestellt - er ist auf der Homepage des BAF öffentlich abrufbar
www.baf.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/Publikationen_BAF/BAF_Abwaegungsvermerk_Stuttgart_BR07.html
und im Übrigen allen Beteiligten bekannt.
Seit der Inbetriebnahme und noch einmal verstärkt durch die sommerliche Witterung, erreicht mich eine Vielzahl an Beschwerden über den veränderten Zustand in Bezug auf die Lärmverteilung. Bei der Auswertung der Beschwerden ergeben sich folgende Schwerpunkte:
1. Überflüge auf den neuen Verfahren
Die Verlagerung des Flugverkehrs war der wesentliche Zweck der o.g. Flugverfahrensfestlegung. Dabei gehe ich davon aus, dass jede und jeder Betroffene die Belastung durch Fluglärm ablehnt. Durch die Zuordnung von Betroffenenzahlen zu Pegelbändern mit NIROS wurde dies berücksichtigt und in die Abwägung eingestellt. Im Ergebnis überwogen die Entlastungen die Belastungen. Letztlich bestätigen diese Beschwerden die Erwägungen, die in Vorbereitung der Festlegung angestellt wurden, und die eine Neubelastung in den neu betroffenen Gebieten berücksichtigt hat. Die absolute oder relative Beschwerdeanzahl aus unterschiedlichen Gebieten sowie das Maß der subjektiv empfundenen Betroffenheit sind hingegen kein geeignetes Abwägungskriterium.
Es ist insbesondere zu beachten, dass die Verkehrsmenge und -zusammensetzung sowie die Betriebszeiten des Flughafens durch die Flugsicherung und dem folgend die Flugverfahrensfestlegung nicht beeinflusst werden können. Wir können, wie es das Bundesverwaltungsgericht ausdrückt, den Lärm lediglich „bewirtschaften“. Die Bewirtschaftung hat das Ziel, die Bevölkerung bei einer Gesamtschau mit möglichst wenig Fluglärm zu belasten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass Vertrauensschutzgesichtspunkte (auf die in Beschwerden teilweise hingewiesen wird) nur sehr eingeschränkt berücksichtigungsfähig sind.
2. Überflüge von den zuvor bestehenden Flugverfahren
Die Auswertung der Beschwerden zeigt, dass sich vielfach über Direktfreigaben von den bereits zuvor bestehenden Flugverfahren beschwert wird, also über Fluglärm, der bereits zuvor vorhanden war, aber aufgrund der Tatsache, dass die Verlagerung von Flugverkehr aktuell in der öffentlichen Diskussion steht, ggf. erst jetzt bewusst wahrgenommen wird.
Die Ursache des Fluglärms, der Gegenstand dieser Beschwerden ist, sind in keiner Weise die neuen Flugverfahren. Sie haben bestenfalls den äußeren Anlass für die Beschwerden gesetzt, indem sie das Thema Fluglärm in die Öffentlichkeit gebracht und ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit ausgelöst haben. Durch eine weitergehende Verlagerung des Verkehrs auf die neuen Flugverfahren bei Überführung vom Probe- in den Regelbetrieb werden diese Überflüge (weiter) abnehmen.
3. Beschwerden über konkret zu tieffliegende Luftfahrzeuge
Diesen Beschwerden wurde jeweils nachgegangen und bei Bestehen eines Anfangsverdachts ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet. Hier handelt es sich einerseits bislang um eine äußerst geringe Anzahl im einstelligen Bereich, andererseits lag nach Überprüfung nicht in allen Fällen ein Verstoß des Piloten vor. So hat in einem Fall die Flugverkehrskontrolle im Rahmen ihrer Aufgabe eine Unterbrechung des Steigflugs aus dem Gesichtspunkt der Staffelung zu anderem Verkehr angeordnet und folgerichtig die Höhenbeschränkungen an Wegpunkten aufgehoben.
Soweit im Einzelfall ahndungswürdiges Verhalten vorliegt, wird dieses im Rahmen eines Bußgeldverfahrens bearbeitet. Unabhängig davon werden diese Fälle von der DFS Deutsche Flugsicherung GmbH im Rahmen der Auswertung des Probebetriebes zu berücksichtigen sein. Handlungsbedarf darüber hinaus besteht jedenfalls derzeit nicht.
Das BAF hat einige regelmäßig auftretende Fragestellungen zum Anlass genommen, Frequently Asked Questions auf der Homepage bereitzustellen: www.baf.bund.de/flugverfahrenaktuelles.
Wir bitten Sie, entsprechend in Ihren Gebietskörperschaften zu kommunizieren, um die Enttäuschung von ggf. überhöhten Erwartungen bei den Beschwerdeführerinnen und -führern in Grenzen zu halten. Seien Sie versichert, dass das BAF alle Eingaben sichtet und bei bestehendem Handlungsbedarf tätig wird. Eine individuelle Beantwortung jeder Eingabe kann jedoch nicht erfolgen. Von daher kommt der Fluglärmkommission und den örtlichen Kommunen eine wichtige Multiplikatorfunktion zu.
Für Ihre Unterstützung bedanke ich mich sehr herzlich.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Karsten Baumann